Seit einigen Jahren haben Bildungsforscher eine neue entscheidende Lebensphase im Visier: die Zeit von der Geburt bis zur Einschulung der Kinder. Bildung beginnt nicht erst im Kindergarten, sondern ist ein wichtiger Bestandteil der Erziehung – von der ersten Lebenswoche an. Nähe zum Kind ist das A und O in frühkindlichen Entwicklungsprozessen. Denn Erziehungswissenschaftler haben festgestellt, dass die Wurzeln aller Bildungsprozesse der Grundschule, Jugend und des Lebens bereits in frühester Kindheit liegen. Bereits im Kindergartenalter von drei Jahren ist ein Rückstand in der Entwicklung nur sehr selten bis zur Grundschule wieder aufzuholen.
Kinder, die schon früh vor dem Fernseher liegen oder sitzen, erfahren weniger persönliche Zuwendung als Kinder, mit denen gespielt und gesprochen wird. Technik umarmt nicht, hört nicht zu und antwortet auch nicht auf Fragen. Kommunizieren Eltern wenig mit ihrem Nachwuchs, lernt dieser nicht, ordentlich zu sprechen und sich auszudrücken. Kinder, deren Fragen nicht beantwortet werden hören auf, Fragen zu stellen. Wem nicht vorgelesen wird, der wird später wahrscheinlich schlechter lesen lernen. Es ist ein Irrtum zu glauben, kleine Kinder bekämen in dieser Lebensphase kaum etwas von ihrem Umfeld mit. Heute weiß man: Babys sind sehr viel klüger, als die Forschung vor zwanzig, dreißig Jahren noch für möglich gehalten hat. Vieles passiert in diesem Abschnitt rein intuitiv, Kleinkinder sind mit einer großen Auffassungsgabe ausgezeichnet. Sie saugen alles auf, beobachten, hören ganz genau zu, ahmen Verhaltensweisen nach und bewegen sich in ganz eigenen Gedankenwelten. Noch bevor sie selber richtig sprechen können sind sie sehr wohl in der Lage, einen grammatikalisch richtigen von einem grammatikalisch falschen Satz zu unterscheiden.
Fördern Eltern ihre Kinder in dieser Phase nicht, geht viel verloren. Die sprachliche Bildung des Kindes ist essentiell und beginnt bereits am ersten Lebenstag. Hierbei läuft das Allermeiste über Interaktion und Spaß – Babys fühlen und wissen, dass sie ihr Umfeld unterhalten. Beim abendlichen Planschen und Nassspritzen im Bad lachen sie sich über das verdutzte Gesicht von Mama und Papa kaputt – und wünschen sich eine Reaktion auf ihr Verhalten. Bleibt ihr Gegenüber passiv und uninteressiert, wird es damit aufhören auf diesem Weg mit seiner Umgebung zu kommunizieren.
Babys brauchen für ihre Entwicklung Kommunikation wie Blumen die Sonne. Ob singen, sprechen oder spielen – je mehr Austausch zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen stattfindet, je mehr sie miteinander plaudern, desto mehr blühen sie auf. Eine amerikanische Studie hat ergeben, dass Kinder mit redefreudigen Eltern bereits mit knapp 2 Jahren ca. 130 Worte mehr beherrschen als die Babys von gesprächsfaulen Müttern und Vätern. Dieser Vorsprung baut sich mit zunehmendem Alter stetig weiter aus und begleitet Kinder ihr Leben lang.